Erstellt: 26.10.2021 | S-Prämiensparen flexibel, BGH entscheidet gegen eine Sparkasse
- Details
Seit 2018 besteht Streit über die Höhe des richtigen Guthabens von Prämiensparverträgen und deren Kündigungen durch verschiedene Sparkassen, wie z.B.
- Saalesparkasse
- Sparkasse Zwickau
- Stadt- und Kreissparkasse Leipzig
- Erzgebirgssparkasse
- Sparkasse Meißen
- Sparkasse Muldental
- Stadtsparkasse München
- Sparkasse Nürnberg
- Ostsächsische Sparkasse Dresden
- Vogtlandsparkasse.
Vertragliche Regelung
Beim S-Prämiensparen flexibel zahlten die Sparer monatlich einen vereinbarten Betrag. Das Guthaben war mit einem anfänglich vereinbarten Zins von z. B. 4,5 % p. a. am Jahresende zu verzinsen. Der Zinssatz sollte sich nach den "Bedingungen für den Sparverkehr" der Sparkassen verändern können und durch Aushang im Kassenraum bekannt gemacht werden. Zusätzlich zahlte die Sparkasse beginnend ab dem dritten Sparjahr eine bis auf 50 % nach 15 Jahren steigende verzinsliche Prämie. Einige Sparkassen gaben auch längere Laufzeiten für die Prämie an.
Die Streitpunkte
Im Jahre 2017 begannen einige Sparkassen die Verträge zum S-Prämiensparen flexibel zu kündigen, weil ihnen offensichtlich die hohen Prämienzahlungen trotz des zwischenzeitlich auf 0,001 % gesenkten variablen Zinssatz wirtschaftlich lästig wurden.
Bei der juristischen Prüfung der Kündigungen wurden die Zinsgutschriften einbezogen und festgestellt, dass die vorgenommenen Zinsanpassungen nicht nachzuvollziehen waren. Die von den Sparkassen hierbei berücksichtigen Referenzzinsen wurden zum Teil aus 2 oder 3 unterschiedlichen Zinsen anderer Vergleichsprodukte einschließlich solcher mit nur kurzer Laufzeit als Mischzins gebildet, was kein Sparer überprüfen konnte.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes wäre bei der Zinsanpassung des anfänglichen Äquivalenzverhältnisses zwischen dem zuerst vereinbarten Zins und einem Referenzzins für langfristige Anlageprodukte beizubehalten gewesen. Die Nachrechnung ergab deshalb in fast allen Fällen eine erhebliche Differenz zu Gunsten der Sparer, für schon in den 90-er Jahren abgeschlossene Prämiensparverträge von mehreren tausend Euro.
Betroffen hiervon sind tausende Sparer, weshalb die Verbraucherzentralen in einigen Bundesländern Musterfeststellungsverfahren gegen mehrere Sparkassen eingeleitet haben, um letztlich die Neuberechnung und Nachzahlung zu erzwingen.
Die Sparkassen ihrerseits meinten, dass ihre Berechnung richtig ist und ein Nachzahlungsanspruch verjährt sei.
Das Urteil des Bundesgerichtshof vom 06.10.2021 (XI ZR 234/20, Pressemitteilung Nr. 182/2021)
In einem ersten Musterfeststellungsverfahren gegen die Stadt- und Kreissparkasse Leipzig hat der Bundesgerichtshof die vorangegangene Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Dresden bestätigt, wonach die Zinsanpassungen über viele Jahre fehlerhaft war. Zur Bestimmung des maßgebenden Referenzzinssatzes wurde das Verfahren an das OLG Dresden zurückverwiesen. Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens wird dieses festlegen, welcher von mehreren möglichen Vergleichszinsen für langfristige Anlagen bei der Nachberechnung zur Ermittlung des richtigen Guthabens anzuwenden ist.
Je nach Höhe der monatlichen Sparrate, Zeitpunkt des Vertragsbeginns und dem Verhältnis zwischen falschen und tatsächlich anzuwendenden Zins kann ein Nachzahlungsanspruch zwischen ca. 800 € und mehreren tausend Euro bestehen.
Der BGH entschied auch, dass die 3-jährige Verjährungsfrist für Prämiensparverträge frühestens mit der Kündigung begann.
Muss jeder Sparer selbst Klage erheben?
Eine Klage oder eine andere Maßnahme zur Hemmung der Verjährung ist noch 2021 erforderlich, wenn der Prämiensparvertrag flexibel im Jahr 2018 beendet worden ist und keine Musterfeststellungsklage für die betreffende Sparkasse eingeleitet oder die Anmeldefrist mit Beginn der ersten mündlichen Verhandlung abgelaufen ist. Bei noch zulässiger Anmeldung ist diese beim Bundesamt der Justiz durch Aufnahme in das Klageregister vorzunehmen. Mit Bestätigung der Anmeldung ist die Verjährung gehemmt, wenn alle Formalien eingehalten sind.
Derzeit kann die Anmeldung noch in Musterfeststellungsverfahren gegen folgende Sparkassen vorgenommen werden:
- Saalesparkasse, noch bis 16.11.2021
- Sparkasse Meißen
- Stadtsparkasse München
- Sparkasse Nürnberg
Darüber hinaus hat die BaFin am 21.06.2021 in einer Allgemeinverfügung die betreffenden Kreditinstitute zur Information der Sparer und Nachberechnung der Zinsen beim Prämiensparen flexibel verpflichtet. Es lässt sich derzeit nicht vorhersagen, ob der Allgemeinverfügung noch gefolgt oder eher darauf gesetzt wird, einen Großteil der Sparer später mit einer Verjährung konfrontieren zu können.
Es wird deshalb empfohlen, den Anspruch auf Richtigstellung des Guthabens des Prämiensparvertrages oder auf Nachzahlung bei den im Jahre 2018 beendeten Prämiensparverträgen flexibel rechtzeitig vor dem 31.12.2021 geltend zu machen. Gern können Sie sich über das Kontaktformular bei uns melden. Auch falls Sie die Anmeldung in Musterfeststellungsverfahren nicht selbst vornehmen wollen.
25.10.2021
Gründig
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht